Kyushu – Teil 2
Nachdem wir uns von unseren Freunden verabschiedet und den kleinen Mietwagen übernommen hatten, machten wir uns auf eigene Faust weiter auf den Weg. Zunächst stand der Nordosten der Insel auf dem Programm. Wir hatten uns in einem kleinen Ryokan in Yufu-in eingemietet, von wo aus man einen grandiosen Blick auf dem Mt. Yufu mit seiner markanten Doppelspitze hatte.
Auf unserer Reise durch Kyushu sind wir von Ryokan zu Ryokan gefahren. So ein traditionelles japanisches Gasthaus hat schon etwas wunderbar Entspannendes. Vor dem Abendessen geht man in den Onsen, das von heißen Quellen gespeiste Bad – meist gibt es zwei Becken im Haus und zwei unter freiem Himmel -, wo man sich nach Geschlechtern getrennt ins heiße, mineralreiche Wasser begibt. Oft gibt es auch die Möglichkeit, in einem kleinen privaten Becken als Paar oder Familie zusammen zu baden. Auf jeden Fall gilt eine strenge Etikette: keine Badebekleidung, höchstens gedämpfte Unterhaltung, kein Planschen und vor allem ausgiebigste Körperreinigung mit Shampoo und Seife vorher. Man sitzt auf einem kleinen Hocker und seift sich ein von Kopf bis Fuß, immer wieder. Und wenn denkt, jetzt sei man wirklich blitzsauber, dann schrubbt der Nachbar immer noch an sich herum. Wenn viele Menschen im gleichen Wasser liegen, ist absolute Sauberkeit auch ein Gebot der Hygiene und Gesundheit, die in Japan hohe Geltung besitzen. Nicht alle Japaner aber halten sich daran so streng, wie wir eigentlich dachten. Hoffen wir, dass sie schon vorher gründlich geduscht haben.
Nach dem Baden kleidet man sich in den Yukata, eine Art leichten Kimono aus Baumwolle. Selbst hierbei können Ausländer Fehler machen: es ist nämlich wichtig, dass man die linke Seite über die rechte schlägt. Macht man es umgekehrt, wird man schnell zur Korrektur aufgefordert; so herum gekleidet werden nämlich die Toten bestattet. Und im Yukata geht man dann zum Abendessen – im Winter kann man noch eine gefütterte Baumwolljacke darüberziehen - und bettet sich anschließend auf dem Futon, der in der Zwischenzeit auf dem Boden ausgebreitet worden ist, zum Schlafen. Am nächsten Morgen badet man wieder und frühstückt – was könnte schöner und erholsamer sein?
Nach dem Frühstück schlenderten wir durch Yufu-in, einen netten kleinen Ort mit vielen netten kleinen Geschäften, Cafés, Restaurants und natürlich jeder Menge Ryokans. Am Ende der ca. anderthalb Kilometer langen Hauptstraße kommt an den Kinrin-See, der, ebenfalls von heißen Quellen gespeist, romantisch dampft.
Beppu ist die Stadt, in der es das meiste heiße Wasser in ganz Japan gibt. Überall steigen gewaltige Dampfwolken auf, und oft wird im heißen Quellwasser oder Dampf gekocht. Einige Quellen sind so heiß, dass sie Höllen genannt werden. Baden kann man darin nicht, aber sie bieten einen spektakulären Anblick. Man bezahlt dafür Eintritt, und sie sind so touristisch aufgemacht, dass mancher den Ort „Las Vegas von Kyushu“ nennt. Die Höllen haben Wasser unterschiedlichster Färbung, tiefblau, rot oder milchig, in manchen kocht der Schlamm, und in einer werden in verschiedenen Becken sogar Krokodile gezüchtet. Die sind gut gesichert, aber man möchte sich nicht wirklich ausmalen, was geschieht, wenn sie bei einem schweren Erdbeben dennoch freikommen.
Kitsuki ist ein Städtchen an der Morie-Buch mit einer Burg aus dem Jahr 1394 – allerdings nicht im Originalzustand - und einigen sehr schön erhaltenen Samurai-Residenzen. An einer Stelle gibt es einen Treppenaufgang, der die beiden Hügel der Stadt verbindet und der in Japan auch deswegen sehr bekannt ist, weil er oft als Drehort für historische Filme verwendet wird. Wenn man einen geschickten Blickwinkel wählt und den richtigen Augenblick abpasst, kann man ihn fotografieren, ohne dass Autos im Bild sind.
Übernachtet haben wir dann in Kurokawa-Onsen, einem verwinkelten, romantischen Ort voller Ryokans. Unser Gasthaus haben wir erst nach mehreren Anläufen gefunden. An verschiedenen Stellen des Städtchens hängen Eier in einem Korb in der heißen Quelle. Man wirft ein bisschen Geld in einen kleinen Holzkasten und entnimmt die gekochten Eier,
die durch die Mineralien gleichzeitig angenehm mild gesalzen sind. Kurokawa hat es geschafft, sich weitgehend von Betonbauten und Reklamtafeln freizuhalten und so seinen alten Charme zu bewahren. Im Sommer kann man einen Onsen-Pass erwerben, eine kleine Holzscheibe, die man sich um den Hals hängt, und im Yukata und mit Holzsandalen von Onsen zu Onsen spazieren. Dafür war es im Februar noch zu kalt.
Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zu Mt. Aso, dem Vulkan mit seinem riesigen Krater. Vorher aber sind wir noch nach Takachiho gefahren, um dort die gewaltige Schlucht zu durchwandern. Davon und mehr berichte ich in der nächsten Folge.