Besuch der Bundeskanzlerin
Der Besuch der Bundeskanzlerin ist für eine Botschaft immer ein besonderes Erlebnis. Schon Monate vorher beginnt die Vorbereitung, und in den letzten Wochen und Tagen vor der Ankunft der Delegation wird es dann richtig hektisch. Jede Minute des Programms muss geplant und manchmal immer wieder umgeplant werden, alles muss natürlich mit der Regierung des Gastlandes und den verschiedenen Gesprächspartnern und beteiligten Organisationen abgestimmt werden, und auch den vermeintlichen Kleinigkeiten (was gibt es zu essen, wer sitzt bei den Fahrten in welchem Auto, welcher Eingang im Hotel wird benutzt?) wird große Aufmerksamkeit geschenkt.
Bundeskanzlerin Merkel hat am 9. und 10. März 2015 Japan besucht. Für uns war es ein besonderer Eindruck, die Regierungsmaschine mit der Aufschrift „Bundesrepublik Deutschland“ auf dem Flughafen Haneda landen und auf das VIP-Termin zurollen zu sehen. Premierminister Abe hat sich insgesamt mehr als fünf Stunden Zeit für sie genommen, beginnend mit einem gemeinsamen Besuch im Nezu-Museum bis hin zu einem Abendessen in kleinem Kreis. Dazwischen lagen Delegationsgespräche mit wechselnden Teilnehmerformaten. Dabei haben die beiden über bilaterale Themen gesprochen, aber auch über die großen Herausforderungen unserer Zeit und die Frage, wie wir sie erfolgreich bewältigen können.
Auch mit dem Kaiser hatte die Bundeskanzlerin ein Gespräch, und weil hierbei nach dem kaiserlichen Protokoll nur noch der Botschafter teilnehmen darf, habe ich mich sehr geehrt gefühlt, auch wenn ich natürlich bei dem Gespräch nur zugehört habe. Nach gutem demokratischem Brauch hat sich Frau Merkel auch mit dem Oppositionsführer, dem DPJ-Vorsitzenden Okada, getroffen.
Die Bundeskanzlerin hat aber nicht nur mit Vertretern der Politik gesprochen, sondern sie hat sich auch mit verschiedenen japanischen Wissenschaftlern, mit Finanzexperten und mit führenden japanischen Frauen zu einem intensiven Meinungsaustausch getroffen. Bei der Zeitung Asahi Shinbun hat die Kanzlerin eine außenpolitische Rede gehalten und Fragen aus dem Zuhörerkreis beantwortet. Und auch der Besuch bei einem Unternehmen stand auf dem Programm, nämlich bei Mitsubishi Fuso in Kawasaki.
Immer ging es darum, was wir in den verschiedenen Bereichen voneinander lernen können. Die Bundeskanzlerin hat auch von den deutschen und europäischen Erfahrungen gesprochen, die wir mit der Bewältigung der Vergangenheit und der Versöhnung zwischen ehemaligen Kriegsgegnern gemacht haben. Dabei hat sie immer großen Wert darauf gelegt, dass sie keine Ratschläge erteilen und keine Empfehlungen aussprechen möchte. Fast alle haben das richtig verstanden. Aber natürlich gab es auch eine Reihe von kritischen Pressestimmen – auch das gehört in einer Demokratie dazu.
Als sich die Regierungsmaschine am Dienstagmittag in den Himmel über Tokyo erhob, war die ganze Botschaft erschöpft, aber auch sehr froh darüber, dass alles gut geklappt hatte. Und ich war sehr stolz auf mein Team, das dies mit großem Einsatz und hoher Professionalität möglich gemacht hatte.