Seijin no hi
Am zweiten Montag im Januar feiert Japan – oder genauer gesagt,wer im laufenden Schuljahr 20 Jahre alt wird - den Seijin no hi, den Tag der Volljährigkeit. Es ist ein gesetzlicher Feiertag, und da an diesem Montag auch die Botschaft geschlossen hat, bin ich zum Meiji-Schrein gefahren, wo ich viele festlich gekleidete junge Menschen erwartete. Es waren nicht so viele wie erhofft, aber diejenigen Frauen, die gekommen waren, ließen sich bereitwillig und freudig fotografieren.
Als junge, unverheiratete Frau trägt man in Japan zu festlichen Anlässen den Kimono mit langen Ärmeln, den sog. Furisode. Es dauert Stunden, bis Make-up und Frisuren fertig sind und der Kimono angelegt ist, und das alles ist nicht billig. Da will man sich natürlich auch präsentieren.
Mit der Volljährigkeit bekommt man in Japan, wie in anderen Ländern auch, bestimmte Rechte, zum Beispiel das Wahlrecht, aber auch Pflichten. So ist man für seine Handlungen unbeschränkt selbst verantwortlich. Dass man zum Beispiel erst mit 20 Alkohol kaufen darf, habe ich übrigens schon gleich nach Ankunft in Tokyo gelernt, als ich nämlich aufgefordert wurde, durch Anklicken auf dem Kassenbildschirm im Supermarkt zu bestätigen, dass ich über 20 Jahre alt bin. Wo man in Deutschland seinen Ausweis zeigen muss, genügt in Japan die Zusicherung, allerdings – weil dies nun einmal so vorgeschrieben ist – wird diese eben auch von 60-Jährigen verlangt.
In den meisten Ländern wird man mit 18 volljährig, so auch in Deutschland – dort übrigens erst seit 1975, als das Volljährigkeitsalter von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt wurde. In Deutschland wird die weltliche Volljährigkeit nicht besonders gefeiert. Aber es gibt religiöse Feiern, bei denen die jungen Menschen ab einem bestimmten Alter in die Gemeinde aufgenommen werden, zum Beispiel die Konfirmation oder die Firmung in den christlichen oder Bar Mitzwa bzw. Bat Mitzwa in den jüdischen Gemeinden. Das ist meist im Alter von 13 oder 14 Jahren der Fall, und auch zu diesen Gelegenheiten kleiden sich die jungen Menschen festlich, aber nicht so aufwendig wie in Japan.
Der Seijin no hi ist, wie einige andere Feiertage in Japan auch, ein beweglicher Feiertag, wird also nicht an einem bestimmten Datum, sondern an einem bestimmten Wochentag, in diesem Fall am zweiten Montag im Januar, gefeiert. Das ermöglicht den Schülern und den Berufstätigen ein schönes langes Wochenende.
Auch wenn es nicht so viele 20-jährige im Meiji-Schrein gab, war er doch gut besucht. Viele haben wohl noch den Neujahrsbesuch nachgeholt, bei dem man sich dort vor Menschen kaum bewegen kann, haben die glücksbringenden Pfeile gekauft oder vielleicht auch nur das sonnige Wetter genossen. Das führte übrigens dazu, dass die vielen Eisskulpturen entlang dem Eingangsweg teilweise geschmolzen waren und uns an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnerten.
Was ich auch beeindruckend finde: es gibt auf dem Weg in den Schrein nicht nur eine riesige Menge Sake-Fässer, die dort aufgereiht sind, sondern ihnen gegenüber auch eine eindrucksvolle Reihe von Fässern der besten Weine aus Burgund.